6. Dezember 2016

Die Schweiz, 4 Landessprachen und mehr…

Die Schweiz hat nicht nur drei Amtssprachen (Italienisch, Deutsch und Französisch) und – mit Rätoromanisch – vier Landessprachen, sondern auch zahlreiche Varianten, insbesondere bei den Dialekten des Schweizerdeutschen. Doch die Sprachenvielfalt geht noch weiter. Ohne die Immigrationssprachen und die grosse Verbreitung des Englischen im ganzen Land zu zählen, wissen nur wenige Leute, dass es neben Regionalsprachen auch eine fünfte (territorial nicht gebundene) Sprache der Schweiz gibt. Obwohl diese Sprachen auf dem Rückzug sind, gehören sie zum mehrsprachigen Panorama der Schweiz und tragen zur Stärkung des kulturellen und sprachlichen Reichtums des Landes bei. 

Die Sprachenfrage ist zentraler kultureller Bestandteil der Schweiz. Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch sind die vier im Land gesprochenen Landessprachen. Die drei ersten sind zudem Amtssprachen für die Beziehungen zum Bund und zu den Kantonen; die beiden letzten sind «weniger verbreitete Amtssprachen», Letztgenannte ist teilweise Amtssprache (vgl. Verfassung) und nur im Kanton Graubünden verbreitet, wo sie seit dem 19. Jahrhundert einen offiziellen Status hat.

Das Rätoromanische geht zwar langsam, aber doch konstant zurück. Man schätzt, dass es noch von 60 000 Personen gesprochen wird und dabei (gemäss letzten Schätzungen; neue sind im Gang) für wenige als 40 000 von ihnen die Hauptsprache ist. Das Rätoromanische unterteilt sich in fünf intraregionale Sprachen: Sursilvan, Sutsilvan, Surmiran, Puter und Vallader. Als Amtssprache wird eine vereinheitlichte Form der Sprache verwendet, die 1982 von der Lia Rumantscha auf Basis der drei häufigsten der fünf Varietäten (Sursilvan, Vallader und Surmiran) geschaffen  wurde: Das «Rumantsch Grischun».

Es gibt jedoch auch noch eine fünfte Sprache der Schweiz, obwohl diese in keinem amtlichen Text erscheint: das territorial nicht gebundene Jenische. Dabei handelt es sich um eine germanische Sprache, die sich aus den Dialekten des Oberdeutschen ableitet und deren Lexik zahlreiche Begriffe aus dem Jiddischen, dem Hebräischen und dem Romani übernommen hat. Sie wird von der gleichnamigen Nomaden- oder Halbnomaden-Gruppe gesprochen und ist in diesem Sinn ein Soziolekt, das heisst die Sprache einer sozialen Gruppe, die durch ihre Kultur charakterisiert ist (Jenische sind in Deutschland und den angrenzenden Ländern seit dem 18. Jahrhundert belegt).

Mit der Ratifizierung der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitenssprachen anerkannte die Schweiz 1997 das Jenische als «nicht territorial gebundene» Landessprache. Es handelt sich also um eine offiziell anerkannte Sprache, die einen integrierenden Bestandteil des Schweizer Kulturerbes darstellt. Im Land leben ungefähr 30 000 Mitglieder der Gemeinschaft, davon noch 3500 als Nomaden. Sie litten nicht nur in Nazi-Deutschland unter Verfolgung, sondern auch in der Schweiz, und das bis zu Beginn der 1970er-Jahre. Das 1926 von Pro Juventute ins Leben gerufene Hilfswerk «Kinder der Landstrasse», dessen Tätigkeit 1973 eingestellt wurde, bekämpfte die Landstreicherei und trennte die jenischen Kinder von ihren Eltern. Schätzungen zufolge wurden über 600 Kinder der Obhut ihrer Eltern entzogen, um bei Pflegeeltern, in Kinderheimen, Waisenhäusern, psychiatrischen Kliniken oder in Erziehungsanstalten untergebracht zu werden.

Neben dem Jenischen mit dem Status einer territorial nicht gebundenen Sprache (vgl. Territorialitätsprinzip in der Schweizer Verfassung) hat die Schweiz auch noch eine Reihe von Regionalsprachen. Leider sind diese auf dem Rückgang oder bereits praktisch verschwunden. Es geht um die vier Sprachen Bairisch, Frankoprovenzalisch, Jiddisch und Walserdeutsch.

Bairisch ist eine Sprache der Hochdeutschen Gruppe und in der Schweiz als Dialekt des Tirols (Südbairisch) vorhanden. Sie wird einzig in der Gemeinde Samnaun (Graubünden) gesprochen, die sich als kleinste Sprachminderheit der Schweiz versteht. Die Besonderheit kommt daher, dass die Gemeinde – geografisch vom österreichischen Tirol her erreichbar – erst 1913 durch eine Strasse mit der Schweiz verbunden wurde.

Frankoprovenzalisch ist eine in Frankreich, der Schweiz und in Italien gesprochene romanische Sprache. Obwohl sie gewisse Merkmale mit der Langue d’oïl und dem Okzitanischen teilt, ist sie kein archaischer Zweig der Langue d’oïl, wie man früher glaubte, sondern es handelt sich um eine unabhängige romanische Sprache, genauso alt wie die übrigen galloromanischen Sprachen. Immer häufiger wird der im Vergleich zu Frankoprovenzalisch eindeutigere Begriff Arpitanisch gebraucht, um die Sprache zu benennen. Obwohl es sich dabei um einen Neologismus handelt, stützt sich dieser auf eine lange toponymische Tradition. Die Sprache ist historisch in den französischsprachigen Kantonen der Schweiz, mit Ausnahme des Jura, vertreten. Als lebende Sprache ist sie heute in den Kantonen Genf, Neuenburg und Waadt verschwunden, wird aber noch lokal eng begrenzt von einigen Personen im Wallis und im Freiburgischen (Greyerzbezirk) gesprochen. Abgesehen von Evolène (VS), wo die Hälfte der Bevölkerung den Dialekt spricht, gilt die Sprache für die Schweizer Behörden als ausgestorben, weil sie nicht mehr überliefert wird. Dennoch fordern Verbände ihrer Sprechenden weiterhin eine offizielle Anerkennung.

Jiddisch ist eine jüdische Sprache germanischen Ursprungs nahe am Deutschen, mit lexikalischen Einflüssen des Hebräischen und Slawischen, das den aschkenasischen Gemeinschaften Mittel- und Osteuropas als Volkssprache diente. Das früher von zwei Dritteln der Juden in aller Welt gesprochene Jiddisch hatte seinen Höhepunkt in den 1920er-Jahren, bevor es nach dem Zweiten Weltkrieg sukzessive zurückging. Heute scheint sich die Sprache stabilisiert zu haben und wird in der Schweiz von einer kleinen Gemeinschaft von 1500 Personen, meist ultraorthodoxen Juden, gesprochen.

Auch Walserdeutsch ist eine Sprache der germanischen Gruppe aus dem Oberwallis. Die Walser, Alemannengruppen aus dem Berner Oberland, liessen sich ungefähr um das Jahr 1000 im Goms nieder. Anschliessend gründeten sie mehr als 150 Kolonien in weiten Teilen des Alpenbogens von Savoyen bis ins Tirol. Die heute vom Aussterben bedrohte Sprache wird in der Schweiz noch von ungefähr 10 000 Personen gesprochen.

CATEGORIA: Basas legalas
TAGS: ,
2 KOMMENTARE


Commentaris

P.pl. endatar in commentari.

P.pl. controllar Vossas indicaziuns.

Vossa adressa dad e-mail na vegn betg publitgada.

Daniel marker am 24. März 2018, 20:05

Cool ich hab früher immer gedacht in der Schweiz werden nur 4 Sprachen gesprochen

Félix Duchampi am 21. November 2017, 22:06

On oublie très souvent le franc-comtois, parlé au Jura et au Jura Bernois. Pourtant il est encore très parlé par les personnes du troisième âge, ou alors dans un contexte familial.

Mussar tut ils commentaris