20 Novembre 2018

Discours de Corina Casanova, Présidente du Forum Helveticum, à l’occasion du 10e anniversaire de l’Institut du Plurilinguisme à Fribourg – 19.11.2018

Es ist für mich eine besondere Ehre, heute am 10-jährigenJubiläum des Instituts für Mehrsprachigkeit das Wort zu ergreifen. Und ich danke Ihnen, Herr Direktor, ganz herzlich dafür.

Bereits vor bald 10 Jahren durfte ich in meiner Funktion als Bundeskanzlerin bei der Eröffnung des Instituts zu Ihnen sprechen.

Als ehemalige Studentin der Universität Freiburg fühle ich mich mit der Universität verbunden. Zwar habe ich an einer anderen Fakultät promoviert, aber die Sprachen haben mich schon damals interessiert. Und dank der innovativen Leitung der juristischen Fakultät konnte ich eine Prüfung in Rätoromanisch ablegen. Besucht habe ich die Romanischvorlesungen von Iso Camartin und Alexi Decurtins während meinem ganzen Jus-Studium.

Begleitet haben mich die Sprachen schon immer – privat und beruflich. Dabei hatte ich das Privileg, mehrsprachig aufzuwachsen und in Bereichen tätig zu sein, wo Sprachen eine Rolle spielen, sei es als Rechtsanwältin und Gerichtsschreiberin, oder als Delegierte des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz.

Als Bundeskanzlerin habe ich mich im Rahmen meiner Kompetenzen auch für unsere Landessprachen sowie die punktuelle Verwendung von Englisch eingesetzt.

Die Schweiz ist vielsprachig. Mit vier Landessprachen verfügen wir über eine kulturelle Vielfalt, die ihresgleichen sucht. Die Mehrsprachigkeit ist als Teil unserer Kultur tief in uns verankert. Hinzu kommen noch weitere Sprachen, die hier gesprochen werden. Sie bilden eine neue Herausforderung in Bezug auf unsere Landessprachen.

Die Sprachenvielfalt spiegelt sich auch in der staatlichen Organisation wider. In ihrer Vielfalt geht sie einher mit den verschiedenen Sprachen und Kulturen. Da haben wir zum einen den föderalistischen Aufbau mit den Kantonen und Gemeinden, die über grosse Autonomie verfügen und als identitätsstiftende Einheiten massgebend zum Funktionieren unseres Staates beitragen. Dabei spielen die Sprachen eine wichtige Rolle. Nicht nur, aber vor allem die mehrsprachigen Kantone sind gefordert. Massgebend ist der respektvolle Umgang mit Minderheiten und deren Einbezug.

Im Laufe der Zeit verändert sich die Gesellschaft und mit ihr die Gewohnheiten.

«Stai si defenda, Romontsch, tiu vegl lungatg» galt in den 1930er Jahren als Renaissance des Rätoromanischen. Die Diskussion und Volksabstimmung zum Rätoromanischen im Rahmen der «geistigen Landesverteidigung» führte zu einem innenpolitischen Schulterschluss. Zwar war Rätoromanisch seit 1938 als vierte Landessprache anerkannt, aber viele Namen wurden noch auf Deutsch verwendet. Erst gegen Ende der 40er Jahre wurde aus Fellers = Falera oder aus Fetan = Ftan. Dannzumal wurden auch Doppelnamen eingeführt wie: Disentis/Mustér oder Scuol/Schuls, das später dann nur noch zu Scuol mutierte. Auch Vornamen lauteten oft auf Deutsch: Johann Bartholomäus, obwohl man ihn im Dorf Giacun Barclamiu nannte.

Rätoromanisch ging sachte auch im Radio und Fernsehen über den Äther. Tista Murks Radiosendung: «viagiond cul microfon» oder der «balcun tort» wurden regelmässig im deutschschweizer Programm ausgestrahlt.

«Stai si defenda, Romontsch tiu vegl lungatg”: dieser Slogan wurde immer mehr in die Tat umgesetzt, denn er wurde gehört.

Oravontut ils onns 80 eran decisivs e han sensibilisau. Ins seturpegiava buca pli dad esser Romontscha ni da tschintschar romontsch. Gl’ei vegniu fatg attent e nossa pli pintga minoritad ha ughegiau da far pretensiuns:

pretendiu dapli emissiuns el radio e la televisiun;

pretendiu ch’ins sappi scriver allas autoritads federalas per romontsch e ch’ins survegni era ina risposta per romontsch. La Ligia Romontscha ha gronds merets en quei connex.

Quei ei impurtont per nossa identitad romontscha. Buca mo: gl’ei impurtont che nos cumpatriots seigien cunscients ch’il romontsch existi e ch’ei vegniu tschintschau romontsh. Das Rätoromanische konnte also immer mehr Fuss fassen.

Die Eidgenossenschaft war jedoch lange kein mehrsprachiges Gebilde. Frau Chassot hat bereits den Fall von Freiburg erwähnt. Denn erst mit der Französischen Revolution änderte sich die Einstellung zum Französischen. Mit den Mediationsakten von 1803 wurde die Schweiz erstmals mehrsprachig. Als mehrsprachige Kantone waren das Wallis und Graubünden Vorbild für die politische Struktur und Sprachenpolitik des Bundes, denn sie verfügten bereits über Erfahrungen mit dem Föderalismus. Bis zur Umsetzung der drei Amtssprachen als gleichwertige Sprachen dauerte es jedoch noch einige Jahrzehnte.

Und gleichwertig heisst für mich insbesondere: gleichzeitig. In meinen früheren Tätigkeiten habe ich mich dafür eingesetzt, dass die Vorlagen gleichzeitig auf Deutsch, Französisch und Italienisch erschienen. Angesichts der Massen an Dokumenten, die beim Bund produziert werden, bedeutet dies einen Kraftakt für die Sprachdienste. Aber gerade in der Gleichzeitigkeit liegt der Respekt gegenüber den Minderheitensprachen.

Nebst unseren demokratischen Strukturen mit den politischen Rechten und dem Föderalismus verfügen wir über Instrumente, die wesentlich zum guten Funktionieren unseres Landes beitragen. In Bezug auf die Zusammensetzung des Bundesrates schreibt die Bundesverfassung vor, dass die Landesgegenden und Sprachregionen angemessen vertreten sind (Art. 175 Abs. 4 BV). Zwei weitere Korrektive sorgen dafür, dass eine einfache numerische Mehrheit nicht ausreicht. Dazu gehören das doppelte Mehr bei Verfassungsänderungen und die Zusammensetzung des Ständerates. Diese Korrektive sind in einem Land der Minderheiten äusserst wichtig. Denn so kann verhindert werden, dass eine Sprachmehrheit sich ungeachtet der Anliegen der Minderheiten wie eine Dampfwalze über sie hinwegsetzt.

Auch die SRG spielt diesbezüglich eine wesentliche Rolle. Deren Gebührenregelung ist ein Beispiel gelebter Solidarität. Und wir sind froh, dass die No-Billag-Initiative abgelehnt wurde. Ein Nebeneinander verschiedener Minderheiten harmoniert und verschmilzt zu einem Miteinander. Der Wille zur Gemeinschaft führt zur Einheit in der Vielfalt. Das hält uns zusammen und daraus schöpfen wir denn auch unsere Kraft.

Es ist richtig und wichtig, dass nebst den staatlichen Institutionen auch die Zivilgesellschaft ihren Beitrag rund um die Sprachenfrage leistet. Dazu gehören Vereine, Stiftungen oder Dachverbände, wie beispielsweise das Forum Helveticum. Es setzt seinen Akzent insbesondere auf die Förderung der Sprachkompetenzen der Jugendlichen. Denn sie sollen dank ihren Kompetenzen wettbewerbsfähig sein und verantwortungsvoll handeln. Das Institut für Mehrsprachigkeit hat uns bei der diesjährigen Durchführung des Wettbewerbs «linguissimo» sehr unterstützt, wofür ich Ihnen, Herr Direktor, nochmals herzlich danken möchte. Das Forum (Helveticum) feiert dieses Jahr sein 50-jähriges Bestehen. Dieses Jubiläum nehmen wir zum Anlass, am kommenden Wochenende in die Zukunft zu schauen und uns die Frage zu stellen, welchen Einfluss die neuen Technologien auf die Sprachen und die Mehrsprachigkeit haben werden: ?Wird es in Zukunft selbstverständlich sein, Gespräche zu führen, die vom Handy simultanübersetzt werden? ?Wo liegen die Potenziale und Grenzen solcher Tools? ?Und inwieweit wird dadurch die sprachkulturelle Verständigung in unserem Land erleichtert oder erschwert? Ein Hakathon soll dazu Ideen und Impulse liefern.

Aber auch die Wissenschaft ist sehr wichtig. Das Institut für Mehrsprachigkeit gehört eindeutig dazu. Gerade in Zeiten, wo die Sprachen sowohl politisch als auch gesellschaftlich unter Druck geraten, ist es wichtig, dass gewisse Untersuchungen methodisch durchgeführt werden. In den vergangenen Jahren haben in verschiedenen Kantonen Abstimmungen rund um Sprachenfragen im schulischen Bereich stattgefunden. Unter Druck geraten jeweils die Landessprachen. Es ist erfreulich, dass die Volksabstimmungen den Stellenwert unserer Landessprachen bestätigt haben.

Ich gratuliere zum 10-jährigen Jubiläum und danke für die Arbeit, die das Institut für Mehrsprachigkeit leistet. Ich bin gespannt, welche Projekte es noch in Angriff nehmen wird und freue mich auf deren Resultate.

Engraziel fetg.

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